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Logo "Tacheles - Jahr der jüdischen Kultur in Sachsen 2026". Links ist eine halbe Menorah in blauen Farbtönen zu sehen.

Alexander Dierks im Interview

Seit dem 1. Oktober 2024 ist Alexander Dierks Präsident des Sächsischen Landtages. Damit ist er der erste Parlamentspräsident in Sachsen, der nach der politischen Wende 1989/90 sozialisiert worden ist. Der Landtagsabgeordnete aus Chemnitz ist zugleich Initiator des 2022 gegründeten Freundeskreises Israel im Sächsischen Landtag. Wir haben Herr Dierks um ein Interview gebeten, dieser Bitte kam er gerne nach:

Foto: A. Fuhrmann

Als Parlamentspräsident sind Sie für den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzungen, Wahlen und Abstimmungen im Landtag verantwortlich. Welche weiteren Aufgaben gehören zu Ihrem Amt?
Alexander Dierks: Der Landtagspräsident ist der oberste Repräsentant des Landtags. Er leitet die Plenarsitzungen, vertritt den Landtag nach außen und er achtet auf die Rechte und Pflichten der Abgeordneten. Er ist Gesicht und Stimme des Parlaments.
Das bringt viele offizielle Termine mit sich, aber ebenso unzählige Begegnungen mit den Menschen überall im Freistaat. Dieser direkte Kontakt macht mir große Freude. Dabei nehme ich auch immer wieder Anliegen und Themen mit, die die Bürgerinnen und Bürger vor Ort beschäftigen.

Die Abgeordneten des Sächsischen Landtags repräsentieren die sächsische Bevölkerung. Sind die Sachsen mit jüdischem Glauben im Landtag präsent? Wenn nicht, sind die Interessen der Sachsen mit jüdischem Glauben im Landtag präsent?
AD: Das sind sie auf jeden Fall. Der Sächsische Landtag und ich als Präsident sind uns der besonderen Verantwortung, die unser Land gegenüber den jüdischen Mitbürgern und dem Staat Israel hat, sehr bewusst. Deshalb war es mir auch besonders wichtig, dass ich in den ersten Monaten nach meiner Amtsübernahme mehrere jüdische Gemeinden in Sachsen besucht habe. Dabei erlebte ich einen sehr herzlichen und offenen Austausch.
Es gibt bei uns im Parlament zudem einen „Freundeskreis Israel im Sächsischen Landtag“, den ich als Abgeordneter vor drei Jahren gegründet habe. Das jüdische Leben und die Gefahren durch den Antisemitismus werden zudem regelmäßig in politischen Debatten im Plenum thematisiert, ebenso bei Podiumsdiskussionen des Landtags wie beispielsweise mit Prof. Dr. Michael Wolffsohn.

Seit 2006 leben Sie in Chemnitz, seit 2014 sind Sie einer der direkt gewählten Abgeordneten für Chemnitz im Sächsischen Landtag. Welche Bedeutung haben aus ihrer Sicht Jüdinnen und Juden für die Stadt?
AD: Jüdinnen und Juden gehören seit über 150 Jahren zu unserer Stadtgesellschaft, sind untrennbar mit ihr verbunden und haben sie durch ihr Wirken mitgeprägt. Der Schriftsteller Stefan Heym ist hier geboren, ebenso der Holocaust-Überlebende Justin Sonder. Ihr Wort hatte und hat Gewicht – vor allem jetzt, wo wir Zeiten erleben, in denen der Antisemitismus wieder stärker wird.
Ich besuche regelmäßig die Jüdische Gemeinde Chemnitz und tausche mich mit Mitgliedern und der Vorsitzenden Dr. Ruth Röcher aus. Freunde und Gäste lade ich häufig in das jüdische Restaurant „Schalom“ ein. Und nach den furchtbaren Ereignissen am 7. Oktober 2023 haben wir als CDU Chemnitz eine große Gedenkveranstaltung auf dem Markt organisiert, zu der viele Chemnitzerinnen und Chemnitzer kamen, um ihrer Anteilnahme und Solidarität Ausdruck zu verleihen.

Als Chemnitzer Stadtrat und Landtagsabgeordneter haben Sie regelmäßig die Tage der jüdischen Kultur in Chemnitz besucht. Welche Veranstaltungen blieben Ihnen dabei am stärksten im Gedächtnis?
AD: Bei der Fülle und Vielfalt des Programms ist das gar nicht so einfach, sich zu entscheiden. Die Vernissage zu Stefan Heym 2023 möchte ich trotzdem nennen – ein großer Sohn der Stadt Chemnitz. Grundsätzlich war aber jede Veranstaltung, die ich über die Jahre besucht habe, auf ihre Weise ein Höhepunkt.

Und können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit dem Judentum erinnern?
AD: Ich habe mich schon als Kind sehr für Geschichte interessiert und erfuhr daher auch frühzeitig viel über die Historie des Staates Israel und der Juden. Später in Chemnitz lernte ich bei einer Veranstaltung mit der Jungen Union Renate Aris kennen – ein Kontakt, für den ich sehr dankbar bin und den ich bis heute sehr wertschätze und pflege.

Im März 2022 gründete sich der Freundeskreis Israel im Sächsischen Landtag. Sie waren einer der Initiatoren zur Gründung. Was war Ihre Motivation und was sind die Aktivitäten und Ziele des Kreises?
AD: Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel werden aufgrund der historischen Verantwortung von uns Deutschen immer einen ganz besonderen Charakter haben. Die Mitglieder des Freundeskreises eint eine tiefe Verbundenheit und Solidarität mit Israel. Diese zu fördern und weiter auszubauen, ist eines unserer Ziele. Wir wollen zu einer besseren Akzeptanz des jüdischen Lebens in Sachsen beitragen und die Zusammenarbeit in Bereichen wie Wissenschaft, Wirtschaft und Bildung intensivieren. Aber auch die Förderung des Austausches zwischen den Kommunen wie auch den Jugendaustausch möchten wir weiter ausbauen.

Momentan ist die Politik des Staates Israels weltweit Gegenstand kontroverser Debatten. Wie ist die Position des Freundeskreises bzw. Ihre Position dazu?
AD: Selbstverständlich hat Israel jederzeit das Recht, sich gegen äußere Bedrohungen angemessen zu wehren und sich zu verteidigen. Die Ereignisse des 7. Oktober 2023 dürfen sich nicht wiederholen. Um das noch einmal zu verdeutlichen: An diesem Tag wurden so viele Juden auf einmal umgebracht wie zuletzt nur durch die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. Allein das zeigt doch die Brutalität und Menschenverachtung, mit der die Terroristen vorgegangen sind. Ich habe kein Verständnis für jene, die sich anmaßen, das relativieren zu wollen. Die Sicherheit des jüdischen Staates ist deutsche Staatsräson.

Die antisemitischen Vorfälle in Sachsen haben sich gemäß des jüngsten Jahresberichtes von RIAS Sachsen 2024 im Vergleich zu 2023 verdoppelt. Die häufigste Erscheinungsform ist dabei der israelbezogene Antisemitismus. Was erhoffen Sie sich in dieser Gemengelage vom Jahr der jüdischen Kultur in Sachsen?
AD: Jüdisches Leben ist fester Bestandteil unseres Freistaates. Tacheles – Das Jahr der jüdischen Kultur 2026 – schafft Anlässe, um dieses Leben noch sichtbarer zu machen. Und das kann helfen, sich gegenseitig noch besser kennenzulernen und auch Unwissenheit und Ressentiments abzubauen. Aber eines ist ganz klar: Wer Jüdinnen und Juden angreift, der greift unsere Gesellschaft und Werte wie die Menschenwürde an. Hier müssen wir uns alle klar positionieren und mit den harten Instrumenten des Rechtsstaates jede Form von Antisemitismus konsequent bekämpfen.

Gibt es ein jiddisches Wort, das Ihnen besonders gut gefällt?
AD: Tacheles! Wir sollten in unserer heutigen Zeit viel häufiger Tacheles reden – also klar, offen und ehrlich miteinander sprechen. Das gilt für die Politik genauso wie für uns als Gesellschaft.