Ekaterina Kulakova im Interview
Sie ist die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der jüdischen Gemeinden und folgt damit Nora Goldenbogen sel. A.
März 2025:
Seit dem 17. Januar 2025 ist Ekaterina Kulakova die neue Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden. Die 55-jährige Musikerin wurde als Nachfolgerin von Nora Goldenbogen gewählt und ist zudem Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden. Wir haben Frau Kulakova zu einem Interview gebeten:
Wir gratulieren Ihnen herzlich zur Wahl zur Vorsitzenden. Welche Aufgaben sind mit dem Vorsitz des Landesverbandes Sachsen der jüdischen Gemeinden verbunden und was sehen Sie als die größte Herausforderung an?
Ekaterina Kulakova: Unser Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden feiert 2026 sein100-jähriges Bestehen. Der Landesverband und mit ihm alle drei jüdischen Gemeinden im Freistaat gehören fest zu diesem Land. Wir machen uns aber Sorgen um die Zukunft von Sachsen. Die Wahlergebnisse in diesem und dem vergangenen Jahr zeigen deutlich, wie stark das Land gespalten ist. Dazu kommt die verschlechterte Wirtschaftslage, die eine Gefahr für politische Stabilität bedeutet. Die seit vielen Jahren gepflegte Demokratie in Deutschland braucht jetzt unsere Unterstützung. Ich vermute, wir brauchen viel mehr Kommunikation, Auseinandersetzung, vielleicht auch neue Prioritäten. Auf jeden Fall sind wir ein Teil der deutschen Gesellschaft, verbunden mit dem Wunsch nach Sicherheit und Freiheit. Und wir sind bereit, das gesellschaftliche Leben aktiv mitzugestalten.
Wie viele Gemeindemitglieder leben insgesamt im Freistaat und wie verteilen sie sich?
EK: Insgesamt haben die drei Einheitsgemeinden Dresden, Leipzig und Chemnitz etwas mehr als 2200 Mitglieder, die größte Gemeinde ist in Leipzig.
Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Amtszeit setzen?
EK: Es gibt so viele verschiedene Aufgaben, die wir erfüllen müssen, dass ich hier nicht ins Detail gehen kann. Lieber erzähle ich über die ersten Schritte, die wir planen. Jede jüdische Gemeinde - genauso wie jede Kirchengemeinde - hat mindestens zwei Zielgruppen, die ständige Aufmerksamkeit brauchen: Jugend und Senioren. Jede Gemeinde gibt sich Mühe, die Probleme intern zu lösen. Wir überlegen jetzt, wie wir die Situation zusammen verbessern können. Wir suchen Partner nicht nur in Deutschland und möchten grenzübergreifende Projekte für junge Menschen verwirklichen. Gemeint sind damit nicht nur Jugendliche, sondern auch junge Erwachsene. Mit großer Hoffnung schauen wir auf das geplante Deutsch-Israelische Jugendwerk. Jugendaustausch ist für die Zukunft der Demokratie enorm wichtig. Es geht aber nicht nur um deutsche und israelische Jugendliche. Wir brauchen ähnliche Bemühungen auch mit Blick auf unsere Nachbarländer Polen und Tschechien. Wir suchen dafür auch in unseren Strukturen nach Möglichkeiten und planen erste Schritte.
Was erhoffen Sie sich dabei vom Jahr der jüdischen Kultur in Sachsen?
EK: Ich hoffe sehr, dass wir nach dem Ende des Festjahres 2026 neu geknüpfte Beziehungen nicht mehr verlieren und dass die Bereitschaft zu gemeinsamen fruchtbaren Aktivitäten bestehen bleibt. Eigentlich sollen deutsche und andere Traditionen sich gegenseitig nicht ausschließen. Umgekehrt: Der Austausch, die Interaktion bereichern das Leben aller.
Sie sind Pianistin. Welches ist Ihr Lieblingsstück und wie viel Zeit finden Sie heute noch zum Musizieren?
EK: Ach, ein Lieblingsstück ist für mich zu wenig. Es gibt eine riesige Zahl perfekter, genialer Komponisten und jeder hat was Schönes geschrieben. Das musikalische Weltkulturerbe ist unglaublich reich. Ich arbeite in der Schule mit Kindern und habe jedes Mal eine große Freude, wenn ich mit meinen Schülern Musik höre und darüber rede. Die Kinder verstehen die Musik intuitiv viel subtiler und genauer als manchmal die Erwachsenen.
Gibt es ein jiddisches Wort, das Ihnen besonders gut gefällt?
EK: „Momele“ – das ist ein jiddisches Wort, das alle verstehen, unabhängig davon, ob sie jiddisch sprechen oder nicht.